"Rudi"-Fenster-Bau-Haus-Technik GmbH
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Tschernobyl

11. April; ...ihr seid doch verrückt..!

Der Mensch hat in seinem Optimismus und Fortschrittsglaube, angetrieben durch den Wettkampf der damaligen weltpolitisch konkurrierenden Systeme, den Weg in das Nuklearzeitalter eingeschlagen.

 

Das in der ehemaligen Sowjet- Ukraine gelegene Kernkraftwerk „Wladimir Iljitsch Lenin", 16 km von der Kleinstadt Tschernobyl entfernt, hatte eine derartige installierte Leistung, dass dort angeblich 10% der Elektroenergie für die Sowjetunion produziert wurden. Der Reaktor- Bautyp „RBMK- 1000" liefert 1.000 MW.

 

Der angemietete Kleinbus ist pünktlich; Elena, unsere Dolmetscherin ist ebenfalls zur Stelle. Ich komme mit mit einem soeben am Blumenkiosk erstandenen Blumenbukett mit dazu, und wir setzen uns um 9 Uhr in Bewegung.

 

Ziel ist das bekannteste Kernkraftwerk der Welt, knapp zwei Autostunden von Kiew entfernt.

 

Es ist Montag, und auch hier in Kiew gibt es einen nervend zähflüssigen Berufsverkehr.

Auf dem Fußboden des Fahrzeugs misst Thomas 0,23 µSv/h, ein kaum auffälliger Wert. Wir achten darauf, dass niemand der Einheimischen unser Gehabe mitbekommt, um die Gastfreundschaft nicht zu torpedieren.

Nur ein paar Stunden später wird es jedoch Gründe geben, die Schuhsohlen aller Mitreisenden durchzumessen.

 

Elena, der optischen Einschätzung im (mit Verlaub gesagt!) Vorruhestandsalter, hat früher in der Tourismus- Branche gearbeitet, und ist somit die passende Besetzung für diesen event. Was sie erstaunlicherweise nicht davon abhält, mit ausgesprochen adretter Bekleidung - stadtfein - zu erscheinen, ausgerechnet  zu einer derartigen Exkursion. Nun ja. Neben mir liegt meine Plastetüte, vollgepackt mit Schutzausrüstung und Hilfsmitteln, denn ich will nach Maßgabe meines Wissens für evtl. problematische Situationen gerüstet sein.

 

Es mag Stolz und eigenwilliger Trotz sein, wenn Elena mit temperamentvoller Eloquenz und standhaftem Selbstbewußtsein den Umgang der Menschen mit der Tragödie schildert, die vor einen Vierteljahrhundert ganze Landstriche der Ukraine heimgesucht hat. Elena hätte bereits auch schon zwei - oder dreimal ausländische Gaffer durch die Sperr- Zonen begleitet.

Während der nahezu gesamten Fahrzeit bringt sie uns mit glockenheller Stimme Fakten nahe und beantwortet in exzellentem Deutsch unsere Fragen, während der Kleinbus stoisch über die holprigen Fernverkehrsstrassen brummt.

Sie berichtet über Irrglaube und Unwissenheit von Teilen der Bevölkerung, die damals regelrechte „Ansteckungs"- Angst vor den Atom- Flüchtlingen hatten, sowie über riesengroße Kastanienblüten nach der Katastrophe.

 

Desweiteren sei es noch ein Glück gewesen, so Elena, daß der GAU zu Sowjet- Zeiten passiert sei, denn damals ist unbürokratische Hilfe aus allen Landesteilen der Sowjetunion gekommen, als an nationale Abgrenzung und dem damit vermuteten Egoismus noch nicht zu denken war. Heutzutage würde die Ukraine nahezu allein dastehen, meint sie.

 

Wir hören gespannt zu, und Elena wird wissen, wovon sie redet, denn auch sie hat zwei Systeme live miterlebt.

 

 

 

 

 

Michel, mein holländischer Sitznachbar, der sich mit militärhistorischen Fakten und Standorten auf ehem. DDR- Territorium bestens auskennt, hat selbst auch einen Dosisleistungsmesser dabei, der nahezu gleiche Werte wie mein Gamma- scout anzeigt.

Das Blumengesteck zappelt zwischen unseren Beinen herum. Mit Restbeständen meiner verschütteten Russischkenntnisse konnte ich der Blumenfrau klarmachen, was wir wollten, und daraufhin hat sie ein angemessen prächtiges Arrangement hinbekommen.

Es fällt ohnehin auf, dass es in Kiew viele Blumengeschäfte gibt („kvieti"), und die uns dortzulande zahlreich zu Gesicht gekommenen Denkmaler, Kruzifixe sind fantasie- und liebevoll blumenverziert.

Möglicherweise haben die Ukrainer nicht „ganz so viel" wie wir saturierten Deutschen, die über die Spritpreise herumwinseln.

Die Gedenkstätten und Heiligtümer der Ukrainer lassen tief blicken, was IHNEN wichtig ist. Es sind Glaube und unverbrüchlicher Stolz auf ihre Geschichte, die von Ruhm und Opfer geprägt ist. Blind, wer das nicht peilt.

 

Elena erklärt die Unterschiede zwischen russischer und ukrainischer Sprache und kennt auch so Einiges aus dem Land, 1990 gestohlen zwischen BRD und Polen....

 

Keine erhöhten DL- Werte.

 

Die Fahrt geht pausenlos weiter, Nadel- und Birkenwälder sowie unbestelltes Ackerland säumen die Strasse. Verlassene Wirtschafts- und Militärgelände, Kontrollposten, überschwemmte Wiesen. Kreisverkehre, Plakate mit dem Politiker Janukowitsch und recht trostloses Flachland. Keine Hingucker, kein Kraftwerk. Jetzt, im April, beginnt grünes Gras die Wunden im Boden zu überwuchern. Vereinzelte Gehöfte, in deren Vorgärten ein paar Hühner herumlaufen. Vorbeifliegende Ortsschilder, deren kyrillische Buchstaben das Lesen schwer machen. Landarbeiter an Holzfeuern.

Belanglos für unsereins, Heimat für die Dortigen.

 

Erste Strahlenzeichen tauchen auf.

 

Wir erreichen den 30 km- Kontrollpunkt.

 

Anhalten, Aussteigen, Pässe abgeben.

 

Instruktionsschilder, Gerätschaften. Posten in Tarnklamotten, eindrucksvolle Wappen und Lettern- Symbole auf ihren Oberarmen.

 

 

 

Kontrollpunkt 30 km Zone

Gegen 10:20 Uhr erreichen wir die Stadt Tschernobyl, die sich im Mischwald vor uns eher unauffällig auftut.

 

Wir setzen unsere Füße auf ihren Boden.

 

Unsere Aufmerksamkeit gilt einem eindrucksvollen Betonrelief am Ortseingang, das die damalige Bedeutung der Stadt ausdrückt.

 

Hier entsteht eines der ersten IchBinAuchHierGewesen- Bild von uns ausländischen Besuchern. Ich bin klammheimlich beruhigt, dass uns dabei kein Einheimischer zublickt.

 

Dosisleistung, gemessen im Auto: 0,21 µSv/h

 

(Vergleich: background- DL in Berlin: ca. 0,1 - 0,2)

 

Wir sitzen im Auto wohlgemerkt; bis hierhinein kann es - nuklidpartikelfreie Luft vorausgesetzt - nur kräftige Gammastrahlung einer äußeren Quelle schaffen.

 

 

Nikloai, ein Behörden-Angestellter, unser „site“- guide, steigt zu uns ins Fahrzeug. Der junge, kräftige Bursche in braun-grüner Tarnuniform wird uns durch die Sperrzonen führen.

Zunächst werden wir aber im Agentur- Stützpunkt irgendwo in der grauen Stadt von ihm belehrt und informiert. Elena übersetzt emsig.

Wir sehen mehrere Landkarten mit farblich schraffierten Isolinien, deren Bedeutung durch die Symbole Cs- 137, Sr- 90 und Pu-239/240 sowie deren Legendierung unschwer zu erraten ist.

 

Teile der „Atom- Asche“ sind in der Unglücksnacht bis 1000 m in den nächtlichen Himmel geschossen worden.

Wieviel Material es genau war, ist umstritten.

 

Wetterbedingt hatten sich zwei gewaltige Haupt- Ausbreitungsfahnen ausgebildet, die unweit von hier niedergegangen sind.

Wer von hier aus das KKW erreichen will, das ca. 16 km entfernt liegt, muß mindestens eine der Beiden passieren.

 

Für uns ist es überraschend, wieviel Leben in Tschernobyl, gelegen in der äußeren, 30km- Sperrzone, herrscht.

Über 18- Jährigen ist der Aufenthalt dort zum Zwecke täglicher Arbeitsverrichtung und auch zu Wohnzecken gestattet. Dennoch herrschen (be)stürzender Verfall und Verwucherung der Bausubstanz vor.

Der Umstand, dass die Vegetation derzeit noch nicht grünt, läßt den morbiden Charme der Stadt durch dickes Gestrüpp und Geäst besonders gut erkennen

Vergraute Holzhütten, verrosteter Stahl, verwachsene Strassen, schiefe Masten, verblindetes Fensterglas, herabhängende Beschilderungen und rostige Postschließfächer.

Urbanität, sich selbst und der Eroberungskraft der Natur überlassen.

 

 

Die Dosisleistung (DL) ist hier in der Stadt Tschernobyl nur geringfügig höher als normal, so mein Meßgerät, was ich als weitgehend unauffällig interpretiere. Gemessen meist im Auto.

Zu dem Zeitpunkt noch nicht wissend, dass es sehr wohl noch hotspots gibt, wo es noch immer kräftig „knallt“.

 

In Tschernobyl schaffen Arbeiter derzeit eine Parkanlage, die in knapp zwei Wochen, genau zum 25- jährigen Jubiläum, fertig sein wird.

Fantasievolle Strukturen und Plastiken sind bereits im Vorbeifahren erkennbar.

Die frisch gereingte Lenin- Statue dürfte noch aus der Zeit davor stammen, das gegenüber installierte große LED- display mit dem momentanen Dosisleistungs- Wert (hier in MilliRöntgen/Stunde) ist ein Symbol der Neuzeit.

 

 

 

 

Nördlich der Kleinstadt Tschernobyl liegt ein Waldstück, über das wenige Stunden nach der Reaktorexplosion derartig strahlender fallout niederging, dass die erlittene Verkohlung der betroffenen Bäume noch heute sichtbar ist.

Es mag eine Ironie der Geschichte sein, aber das ukrainische Wort „Tschornobyl“ wird dem Vernehmen nach mit „schwarzes Kraut, ... Gras“ übersetzt; gelegentlich auch mit „Wermut“.

 

T sein  Meßgerät, der „Gamma- Scout“, von Nikolai zwar gelobt, ist der Spezifikation nach jedoch nur bedingt geeignet, sehr geringe Korpuskularstrahlung sicher zu messen. Besonders die gefährlichen Alpha- Partikel, die aufgrund ihrer geringen Reichweite und noch geringeren Penetrationsfähigkeit nur in unmittelbarer Nähe ihrer Quelle anzuftreffen sind, können vom Gamma- Scout u.U. nicht erfasst werden.

 

 

Daher ist der Eigenschutz vor diesen Partikel- Strahlern nur mit einer hermetischen Hautüberdeckung machbar, zusammen mit Feinstaub- Atemfiltern, was für Alpha und Beta bereits eine weitestgehende Abschirmung garantiert.

Mit diesem Wissen ist auch unsere persönliche Vorbereitung erfolgt.

Der Gamma- Scout scheint für die weitreichende Wellenstrahlung (Gamma und Röntgen), die im wesentlichen relevant für Oberflächenkontamination ist, eine gute Orientierung zu bieten, denn das Ding hatte ja seine Reaktionsfähigkeit auf dem Aiport und im Flieger bereits eindrucksvoll gezeigt.

Mit den beiden anderen Messgeräten, die unser Mitreisender Michel und „Führer“ Nikolai mitführen, zeigt sich eine weitgehende Übereinstimmung.

 

Für uns stehen in Tschernobyl drei Stellen auf dem Besuchsplan; der sog. Technik- Friedhof, das „Super- Radar“ Duga- 3 und die Feuerwache.

 

„Heiß“ wird es erstmalig auf dem „Technik- Friedhof“, dem Abstellplatz der Liquidatoren- Technik, direkt im Stadtgebiet von Tschernobyl.

Zwecks Selbstschutz sind Abwehrmaßnahmen durch die Erstkräfte („Liquidatoren“) mit gepanzerten Fahrzeugen in den Gefahrenzonen erfolgt.

Die Panzerfahrzeuge stehen jetzt hier, einer stummen Mahnwache gleich, in einer als Denkmal gestaltenen Parkanlage.

Nikolai rät, eine Messung an den Panzerketten zu machen. Bei Annäherung steigt der Meßwert schnell bis auf knapp 6 µSv/h, und etliche Kameras zielen auf den DL- Messer in meiner Hand, die ich aber schnell wieder wegziehe. In einem knappen Meter Entfernung ist nichts mehr zu messen.

Der erste Kontakt, wird uns allen nun klar.

 

 

 

 

 

 

Es gibt aber auch neues in dieser eigentlich trostlosen Stadt. Unter der Sowjetregierung wurden Gotteshäuser und Glauben ja nicht gerade gefördert.

 

Die Kirche ist restauriert und die Ostervorbereitungen liefen schon. Ein kleiner Joke am Rande, es hät sich das Gerücht, das im Gotteshaus keinerlei Strahlung messbar wäre. Wir konnten das leider nicht überprüfen.

 

Hier hat sich ein Geistlicher niedergelassen, der Seelenhirt für die Arbeiter und heimlichen Rückkehrer ist.

 

Im Sperrgebiet leben mittlerweile noch ca. 180 alte Menschen, die von Landwirtschaft ernähren und mit der Strahlenbelastung augenscheinlich auskommen.

 

Es soll mehr als 5000 Rückkehrer gegeben haben, aber die biologische Uhr tickt halt unerbittlich.

 

 

 

 

Wir verlassen die Stadt auf einer Ausfallstraße und halten plötzlich mitten in der Pampa. Hier sei der Super- Radar zu sehen, denn ein direkter Vor- Ort- Besuch der Radaranlage wird uns leider nicht gestattet.

Das Duga- 3 ist ein Überhorizont- Radar, bestehend aus einer gigantischen Stahlkonstruktion, die Bestandteil des Raketenabwehr- Systems der SU war.

Das Monster, das am fernen Horizont als verschwommendes Gitterkonstrukt wahrzunehmen ist, läßt sich nur mittels Teleobjektiv heranholen.

 

Duga- 3, der „russian woodpecker"

 

Und das muß uns reichen. Das eindrucksvolle Konstrukt gammelt ungebraucht vor sich hin. Gesprengt werden darf es wegen möglicher Bodenaufwirbelung nicht.

Wir stapfen durch die Wiese, um noch 50 Meter dichter heranzukommen, bis uns schließlich ein verrosteter Stacheldrahtzaun

 

 

Nach diesem Programmpunkt war ein wichties Ziel auf dem Plan. Die neue Feuerwache.

 

Die Feuerwehr war am Unglückstag bereits wenige Minuten nach Alarmierung an der Einsatzstelle. So makaber es klingen mag, ihr selbstloser Einsatz war letztlich eher symbolisch, denn direkt am Reaktorkern war der Abwehrkampf per Mann aussichtslos. Dennoch haben sie alles gegeben. Manche Alles.

Die Brände außerhalb des Reaktors infolge niedergegangener Graphittrümmer konnten durch die Werkfeuerwehr jedoch gelöscht werden.

Eine Eindämmung der Kernschmelze mit ihren chemischen Reaktionen, angetrieben durch die nukleare Eigenerhitzung, gelang kaum. Möglicherweise hat der Abwurf von tonnenweise Borverbindungen aus der Luft Schlimmeres verhindert, was man zur Neutronenabwehr aktuell auch in Fukushima praktiziert.

Lediglich eine Mitte November 1986 fertiggestellte Schutzhülle aus einer Stahlbetonkonstruktion, der sog. „Sarkophag", verhindert eine völlige Freisetzung der atomaren „Lava". Das, solange er noch steht, denn er sei akut einsturzgefährdet.

 

Durch die unmittelbaren Folgen bei der Gefahren- Erstabwehr seien dem Vernehmen nach knapp 60 Todesopfer zu beklagen, die Opferzahlen durch Spätfolgen und Langzeitwirkungen sei nicht absehbar. Tausende Bewohner wurden Hals über Kopf umgesiedelt; eine für unsereins unvorstellbare menschliche Tragödie.

 

Für ihre ums Leben gekommenden Kameraden haben die Feuerwehr- Einheiten an verschiedenen Orten eigene Denkmäler geschaffen.

Wir fahren zum Denkmal in der Tschernobyler Kirov- Straße und treffen gegen 13:00 Uhr dort ein. Es liegt an der Straße, direkt neben der Feuerwache.

Die Gestaltung des Denkmals läßt seine Symbolik bereits aus der Ferne unschwer erkennen. Dessen Gestaltung ist atemberaubend real und hat eine nicht zu übertreffende poetische Aussagekraft, sowohl en detail als auch im Ganzen.

 

Jedem an der Bewältigung der Katastrophe Beteiligten wird ewiger Ruhm zuteil.

 

 

 

Wir legen unsere Blumen nieder.

 

 

 

Wir fahren weiter, nun zum Kraftwerk selbst.

 

 

 

 

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